Mit spitzer Feder …
To-Go-Kaffeebecher, To-Go-Nudelbecher, Weinflaschen, Bierbüchsen und vor allem die grossen, sperrigen Pizzakartons: Öffentliche Mülleimer quellen seit Monaten über. Auch in privaten Haushalten türmen sich Altpapier, Pappkartons und Kunststoffverpackungen. Die Corona-Krise hat die Verpackungsflut deutlich ansteigen lassen. Der Lockdown führte unter anderem zu mehr Serviceverpackungen für Essen und Getränke. Die Einkäufe im Netz boomen und führen zu Abfallbergen bei den Kunden. Damit wird der schon länger anhaltende Trend zu mehr Verpackungsverbrauch auf die Spitze getrieben. Ich bin als Ordnungsfanatikerin keine grosse Freundin des Onlinehandels. Wenn der Pöstler an der Haustüre klingelt, ist das für viele eine willkommene Abwechslung im Homeoffice und die Vorfreude aufs Auspacken ist gross. Nicht so bei mir. Ich bin gespannt wie eine Feder und nehme das Paket jeweils mit Argusaugen in Empfang. Dabei fürchte ich mich vor der lästigen Abfallflut, die ich direkt – und erst noch freiwillig – in die Stube geliefert bekomme. Denn bereits beim Öffnen erlischt die Vorfreude ziemlich schnell und endet zwischen Entsetzen und Erstaunen. Die Verpackung ist in 90 Prozent der bestellten Waren überdimensional, übertrieben und viel zu gross: So steckt der sechzig Zentimeter grosse Tennisschläger in einer überdimensional breiten Schachtel, die winzig kleine Vorhangleiter in einer viel zu grossen Box. Yogamatte und Duschvorhang sind umhüllt von einer ersten Verpackung und stecken wiederum in einem viel zu grossen Karton, wie ein Set Babuschka Matroschka-Puppenspielzeug. Doch nicht genug: Lange, mit Luft gefüllte Plastikschlangen oder anderes Material füllen jeweils den Leerraum und schützen die Ware, die gar nicht zerbrechlich ist. In solchen Momenten muss ich mich beherrschen, dass ich nicht Schnapp-Atmung, kombiniert mit einem Schreikrampf, bekomme, und den ganzen Abfallberg zurück an den Absender schicke – mit dem Vermerk: «Hättet ihr nicht noch eine grössere Schachtel gehabt mit etwas mehr Plastik?».
Ein ganz besonderes Ärgernis, das wohl oder übel die meisten von uns ein Kosumenten-Leben lang belgeitet, sind die sogenannten Blister-Verpackungen. Sie sind so sicher und hygienisch konzipiert, dass sie eine Gefahr für die Konsumenten und unmöglich zu öffnen sind. Diese unhandlichen Sicherheitsverpackungen lassen sich selbst mit scharfen Gegenständen nur schwer öffnen – selbst mit Schere, Messer, Dosenöffner oder schwerem Gerät aus dem Baumarkt lässt sie sich kaum entfernen. Zudem bergen die scharfen Klingen ein hohes Verletzungsrisiko, und wenn man nicht aufpasst wird man zum Verpackungsopfer.
Überall wird nach Umweltschutz, Energieeffizienz, Ressourcenschonung geschrien. Und dann dieser Verpackungswahnsinn im Onlinehandel, der so quasi als Handel der Zukunft gepriesen wird. Dann erklärt mir mal bitte, wie diese Abfallwelle mit dem Klimawandel zu vereinbaren ist? Dabei haben diverse Händler im Zuge der Digitalisierung vollautomatische Verpackungsmaschinen angeschafft. Die Roboter schneiden und falten die Kartonschachtel nach Mass auf den jeweiligen Artikel zu. Füllmaterial aus Plastik und Styropor braucht es dabei nicht mehr. Das spart Abfall. Doch das Virus bringt selbst diese Verpackungsroboter der Onlineshops an den Anschlag. «Packy» und seine Roboterkollegen drehen ab der Bestellwut von Herrn und Frau Schweizer im roten Bereich. Dies wiederum führt dazu, dass wir zuhause auf unnötigen Abfallbergen sitzen bleiben. Gemäss Onlinehändler wird daher auf die alt bewährte Handarbeit zurückgegriffen – allerdings mit mittelmässigem Erfolg. Die Angestellten am Förderband haben nicht immer ein glückliches Händchen und noch viel weniger genügend Augenmass bezüglich passgenauer Paketgrösse. Ihre Devis: Lieber ein unpassender Karton als zu spät liefern. Kritik und negative Kundenreaktionen nehmen sie dabei in Kauf.
Mein Fazit: Läden und Detaillisten vor der Haustüre unterstützen – Gott sei Dank ist das ab sofort wieder via Haupteingang möglich!
Herzlichst,
Ihre Corinne Remund
Verlagsredaktorin